Seite wählen

Underconsumption Core – der neue Minimalismus?

von | Dez 8, 2024

Influencer*innen halten Taschen in die Kamera, die sie schon seit über 10 Jahren mit sich herumtragen, benutzen leere ausgewaschene Einmachgläser als Trinkgläser und geben Tipps fürs Second Hand Shopping. 

Underconsumption Core heisst dieser neue Trend, der vor allem auf Tik Tok sehr populär zu sein scheint. 

Da ich nicht auf Tik Tok herum scrolle, bin ich erst kürzlich auf Youtube über den Begriff gestolpert. Der Videotitel Underconsumption Core hat mich direkt angesprochen und mich dazu inspiriert, ein wenig mehr über den Trend herauszufinden. 

Beim Recherchieren wurde schnell klar, dass es sich hier nicht wirklich um einen neuen Trend handelt. Es geht darum, die Dinge, die wir besitzen, aufzubrauchen, den Konsum so weit wie möglich zu reduzieren und Dinge zu reparieren, statt sie wegzuwerfen. 

Diese Ideen kennen wir bereits von Trends wie dem Minimalismus. Es sieht also so aus, als hätte der Minimalismus ein Rebranding erhalten.

WARUM WENIGER KONSUM GUT FÜR UNS IST

Als Make Up- und Parfum-Liebhaberin bin ich sehr vertraut mit der Fülle an Videos auf Social Media, die uns ganze Zimmer voller Beauty-Produkte und riesige Regale voller Parfümfläschchen zeigen.

Die Influencer*innen aus dieser Nische zeigen uns jede Woche die neuesten Must-haves und präsentieren Ihre massiven Shopping Hauls. Überkonsum wirkt plötzlich normal und man bekommt das Gefühl etwas zu verpassen, wenn man sich nicht mit den neuesten und besten Dingen eindeckt. 

Sich immer nur auf der Seite des Überkonsums zu bewegen, funktioniert aber für viele von uns nur schon aus finanziellen Gründen nicht. Aber selbst wenn wir die finanziellen Mittel hätten, um uns einfach immer alles kaufen zu können, was neu und glänzend ist, würden wir uns irgendwann nach mehr Einfachheit sehnen und es würde sich ein Gefühl der Leere einschleichen. 

Das ist wohl auch der Grund, warum immer wieder Gegenbewegungen zum Überkonsum-Trend entstehen.

Underconsumption Core

ZEITMANGEL UND DECISON FATIGUE

Wenn wir unseren Fokus auf materielle Dinge legen, haben wir weniger Zeit für Dinge, die uns wirklich gut tun und erfüllen. Dazu gehört zum Beispiel, Zeit mit lieben Menschen zu verbringen, Sport zu treiben oder an unserem kreativen Projekt zu arbeiten. 

Je mehr wir besitzen, desto mehr Entscheidungen müssen wir treffen. Wenn wir jeden Morgen darüber nachdenken müssen, welchen Pulli wir anziehen und welcher Lippenstift dazu passt, schwächen wir unseren Entscheidungs-Muskel.

Wir müssen jeden Tag Hunderte von Entscheidungen treffen. Je mehr Entscheidungen wir treffen, desto weniger Energie und Konzentration bleibt für die nächste. Es stellt sich eine Entscheidungs-Müdigkeit (Decision Fatigue) ein. 

Als Folge der Decision Fatigue entscheiden wir eher impulsiv und tendieren dazu, eine einfache und weniger durchdachte Lösung zu wählen. 

Es lohnt sich also, unsere Zeit und Energie für die wirklich wichtigen Entscheidungen aufzusparen

BEWUSST KONSUMIEREN

Auch wenn es auf der Hand liegt, dass weniger Konsum gut für uns alle ist, kann es schwierig sein, unsere Kaufgewohnheiten zu ändern. Das ist menschlich und hat nichts damit zu tun, dass wir schlechte Absichten haben. 

Wie bei allen Gewohnheits-Änderungen braucht es ein wenig Geduld, um das gewünschte Ziel zu erreichen. 

Die folgenden Punkte finde ich sehr hilfreich, um dem Ziel des bewussten Konsums näher zu kommen:

  • Stell dir die Frage, wie nachhaltig ein Produkt ist. Wirst du die Sache in einem Jahr noch benutzen? Wird dir die Sache nach 3 Monaten immer noch Freude bereiten? Ist der Gegenstand für dich das Geld wert? 
  • Leg ein wöchentliches oder monatliches Shopping Budget fest und investiere oder spare den Rest deines Einkommens. 
  • Melde dich von allen Newsletter ab und beende alle Abos von Creators, die dich dazu verleiten, mehr zu kaufen. 
  • Folge bewusst Inhalten, die dich zu Minimalismus inspirieren.
  • Kauf Sachen nicht direkt, wenn dir danach ist. Speichere sie in einer Wunschliste und warte einen Monat. 
  • Stell dir die Frage, warum du shoppst. Wie geht es dir gerade? Bist du gelangweilt, gestresst, einsam oder traurig?
Underconsumption Core

WIE STEIGERN WIR DIE FREUDE FÜR DIE DINGE, DIE WIR BEREITS BESITZEN?

DER MERE-EXPOSURE-EFFEKT

Wenn wir eine neue Sache unbedingt wollen, kommt das oft nicht von einem wahren Bedürfnis. Mir passiert es z.B. ab und zu, dass ich ein Produkt immer wieder auf Youtube sehe und plötzlich ganz stark das Gefühl habe, dass ich diese Sache ebenfalls brauche. 

Firmen geben riesige Summen an Geld aus, um uns Dinge immer wieder zu zeigen. Sei es durch Influencer*innen oder durch Plakate. Warum funktioniert solche Werbung so gut?

Verantwortlich dafür ist unter anderem der sogenannte Mere-Exposure-Effekt. Die Grundidee dieses Effekts ist, dass wir allein durch das häufige Sehen einer Sache eine Vorliebe für diese entwickeln.

Das neue Parfum, das wir schon so oft auf Social Media gesehen haben, strahlt uns im Laden stärker an als die anderen, über die niemand spricht. Das unbekannte Parfum interessiert uns dann oft gar nicht und wir greifen zum bereits vertrauten Fläschchen. 

Vielleicht hast du diesen Effekt auch schon bei der Wahl deines Erfrischungsgetränks oder Kaffees gespürt?

CONTENT ZUM BEREITS GEKAUFTEN PRODUKT KONSUMIEREN

Wenn der Mere-Exposure-Effekt so zuverlässig funktioniert, sollten wir ihn doch auch dazu nutzen können, um uns für Dinge wieder zu begeistern, die wir bereits besitzen?

Ich habe das ausprobiert und bewusst nach Content gesucht, in dem Produkte vorkommen, die ich bereits besitze, die aber vernachlässigt wurden.

Oft vergessen wir, was wir bereits haben, oder was unsere alte Kamera alles kann, weil der Fokus schon wieder auf etwas gerichtet ist, das gerade stark beworben wird. 

Mein kleines Selbstexperiment hat jedenfalls funktioniert: Durch die Recherche meiner Produkte habe ich mehr über die Anwendung, die Inhaltsstoffe oder die Marke gelernt und hatte plötzlich wieder mehr Freude, diese zu benutzen. 

Auch wenn es im Vergleich zu neuen und bekannten Dingen schwieriger oder manchmal unmöglich ist, Inhalte zu unseren Dingen zu finden, lohnt sich ein Versuch.

Alte Gegenstände

AUFMERKSAMKEIT AUF DINGE LENKEN, DIE WIR BEREITS BESITZEN

Wenn keine Inhalte auffindbar sind, oder du einfach keine Lust auf Online-Recherche hast, reicht es vielleicht auch, den Gegenstand bei dir zu Hause wieder sichtbar zu machen. 

Hol die ungetragenen Schuhe aus dem Schrank und stell sie neben die Haustür, damit du daran denkst, sie zu tragen. Vielleicht merkst du dann, dass du eigentlich gar keine neuen Schuhe brauchst, weil die alten eigentlich super sind. Oder dir wird klar, dass du die Schuhe einfach nie getragen hast, weil sie unbequem sind. In diesem Fall ist es Zeit die Schuhe auszumisten. 

Ich mag es beispielsweise sehr, meine Schminksammlung immer wieder umzuorganisieren. Durch die Umplatzierung der Produkte wird mir wieder bewusst, was ich bereits besitze und greife eher wieder zu vernachlässigten Produkten. 

Auch das Reinigen oder Reparieren (lassen) von Gegenständen kann sehr hilfreich sein, um unsere Wertschätzung für unseren Besitz zu steigern und damit unseren Konsum einzuschränken.

    PROJECT PAN

    Eine spielerische Art, um mehr Fokus auf unsere Dinge zu bringen, kann ein Aufbrauch-Projekt sein. 

    In der Zeit, in der ich Beauty-Content auf Youtube gemacht habe, bin ich auf den sogenannten Project Pan-Trend gestossen. Bei dieser Idee geht es darum, seine Makeup Produkte aufzubrauchen, statt sie schlecht werden zu lassen oder mit neuen Produkten zu ersetzen. 

    Es wird dann (teilweise akribisch) dokumentiert, wie beispielsweise der Lidschatten nach und nach aufgebraucht wird und wie lange es dauert, ihn aufzubrauchen. Damit das Ganze ein wenig schneller vorangeht, benutzen die Youtuber*innen den Lidschatten dann auch mal als Blush oder Bronzer oder mischen ihn mit klarem Nagellack, um eine neue Farbe zu kreieren. 

    So ein Project Pan funktioniert natürlich nicht nur bei Makeup, sondern kann auf alle Verbrauchsgegenstände in unserem Haushalt angewendet werden. 

    Ich kann nicht genau erklären warum, aber Dinge aufzubrauchen (vor allem solche, die schon älter sind) löst bei mir ein positives Gefühl aus. Es macht mir Freude zu wissen, dass ich mein Geld gut investiert habe und ein ganz kleines Stück zu mehr Nachhaltigkeit beigetragen habe. Geht dir das auch so?

      WELCHEN EINFLUSS HABEN WIR ALS KONSUMENT*innEN?

      Ich habe mir kürzlich die neue Netflix Dokumentation Buy Now! angesehen. Die Dokumentation zeigt auf eine eindrückliche und spannende Weise, wie grosse Firmen uns dazu bringen, im Kaufkreislauf stecken zu bleiben. Sie bringen uns dazu, immer wieder auszublenden, welche katastrophalen Auswirkungen unser Überkonsum auf unseren Planeten hat. 

      Es ist offensichtlich, dass die grossen Marken und Firmen die Hauptverantwortung tragen, um wirklich etwas zu verändern. Viele Konsument*innen denken sich deshalb vielleicht, dass ihr Kaufverhalten sowieso keinen entscheidenden Unterschied macht. 

      Zudem haben wir uns längst an die Einfachheit von Online-Shopping bei Riesenhändlern gewöhnt und es fühlt sich an als würden wir etwas verpassen, wenn wir nicht sofort genau das kaufen können, was wir uns wünschen.  

      Aber vielleicht verpassen wir ja etwas, wenn wir ständig neue Dinge kaufen? 

      Auch wenn unser Einfluss als Konsument*in klein ist, geben wir doch mit jeder Kaufentscheidung unsere Stimme für einen bestimmten Händler und eine bestimmte Werthaltung ab. 

      Ich hoffe sehr, dass Trends wie Underconsumption Core immer wieder zurückkommen, oder sogar bleiben und uns inspirieren, den Fokus auf wichtige Dinge zu lenken und für eine weniger konsumorientierte Zukunft zu voten. 

      Vielleicht inspiriert dich mein Beitrag ebenfalls dazu, bewusster einzukaufen und die Dinge zu schätzen, die du bereits besitzt. Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen, ich würde mich sehr freuen von dir zu lesen 🙂 

      Liebe Grüsse

      Dolores

      Das könnte dich auch interessieren

      0 Kommentare

      Einen Kommentar abschicken

      Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert